Manuel van der Veen
Die auf den ersten Blick spärlich verteilten Farben in Kriz Olbrichts Werken ergreifen auf den zweiten den ganzen Raum. Durch die reine Farbe wird die Farbigkeit des Materials hervorgebracht. So haften die einzelnen Flächen der Paintings meist durch farbiges Silikon aufeinander, doch sein rohes Baustoff-Material wird nicht instrumentalisiert, vielmehr vom Druck der Materialflächen aus den Rändern regelrecht zur Malerei gepresst. Der schwere Putz in Vesper II drängt den Gips aus seiner Geometrie und drückt, unter seiner lawinenförmigen Schichtung, eine Wölbung am rechten Rand der Fläche heraus. Olbrichts Farben sind Gipskarton, Metall, Latten, Armierungsgewebe und Haftputz, sie sind der Grund, mit dem etwas geschieht.
Kriz Olbricht (* 1986) hat bei Leni Hoffmann an der Freiburger Außenstelle der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe studiert und belebte die dortige Kunstszene nicht nur mit eigenen Arbeiten, sondern ermöglichte durch diverse Projekte anderen Kunstschaffenden eine Plattform. Zusammen mit Kommilitonen gründete er die Ausstellungsplattform plan b. 2011 bespielte Olbricht diese mit der Ausstellung Kipper II, in der unter anderem eine Galileische Schräge aus Gipskarton auf dem Boden und an Latten lehnte, welche selbst drohte abzurutschen. Essentiell für den Künstler, der in situ arbeitet, sind ebenfalls der Betrachter und seine Bewegung.
Sowie sich das Material zur Farbe wandelt, so wandelt sich die Hängung zum Material. Olbrichts Malereien hängen nicht nur, sie lehnen, tragen, werden getragen, brechen, quellen hervor, reißen, kleben oder halten sich selbst durch ihre Materialität. Diese Kräfte, die nicht nur symbolisch, sondern buchstäblich walten, kombinieren die autonome Malerei kompakt mit der Architektur. Die Affinität liegt im Material. Letztlich hebt es sich ab durch seine Form. Materialähnlichkeit trotz Formverschiedenheit. Die Titel lassen sich ebenfalls als Assoziationsmaterial verstehen. Das orangene Strom-Kabel in der Arbeit Bronx, welches das Innen eines Ausstellungsraumes mit dem Außen einer Laterne und mit der kreativen Energieversorgung der ersten Block Parties verbindet. Die Paintings kann man als handliches Gegenüber zu den Raumzeichnungen und -malereien betrachten. Doch eine Gemeinsamkeit bricht bei Olbricht immer wieder hervor: die feine einzelne Linie. Mal eine aus Latten bestehende, dann als Riss, hier als Kabel und dort als Strang oder Spanngurt und natürlich als Silikonüberschuss, der sich an den Rändern entlang zieht. Sein Eingriff ist komprimiert auf eine minimale, geballte Linie, welche das Material mit einem Strich strukturiert. Der Auflagedruck erhöht sich um ein Vielfaches, wenn sich die Fläche, auf welche eine Kraft wirkt, schmälert. Olbrichts Eingriffe scheinen sparsam, bescheiden oder eben vorsichtig zu sein. Doch die brutale Kompression der Kräfte und verschiedener Qualitäten auf den schmalen Grat einer Linie, bündelt das Ensemble zu einer brachialen Spannung, zu einer Dramaturgie des Materials. Ähnlich einer Krampfader-Fuge: die stetige (An)Spannung lässt jene inneren, vielfältigen und großflächigen Kräfte, die hinter der Haut der Wand und des Sichtbaren pulsieren, in einer feinen, schmalen und farbigen Kompressions-Linie an der Oberfläche sichtbar heraustreten. Kriz Olbricht ist nicht vorsichtig, seine Kraft nicht bescheiden: Kriz Olbricht ist präzise.
Erschienen in artline 04/2016, Freiburg.